Trauern – aber wie?

Was ist eigentlich Trauer?

Beschäftigt man sich mit dem Thema Trauer, so stösst man auf verschiedenste Trauermodelle und Trauerphasen. Allen diesen Modellen gemein ist, dass Trauer ein Prozess oder auch ein Weg ist, den man gehen muss und der einen langsam wieder in einen neuen, meist veränderten Alltag zurückführt. Die einzelnen Wegabschnitte kommen nicht nacheinander wie unterschiedliche Landschaften, die wir bereisen. Sie gehen ineinander über, führen uns im Kreis. Manchmal scheint die Sonne in das Dunkel und manchmal gehen Sie den Weg gemeinsam. Dann aber wieder gibt es Strecken, auf denen Sie alleine sind und gefühlt tiefer in die Dunkelheit gehen. All das ist normal. Auch die Länge der einzelnen Abschnitte ist individuell. Setzen Sie sich hier nicht unter Druck.

Ein Schicksalsschlag wie eine Fehl- / Todgeburt oder der Tod des geliebten Kindes kündigt sich in der Regel nicht an. Sie sind gerade noch in unserer gewohnten Umgebung oder gar voller Vorfreude auf einer sonnigen Lichtung und schauen unbekümmert in die Zukunft. Doch dann stürzen Sie hinab in die Dunkelheit der Trauer. Sie sind geschockt, können es nicht fassen, wollen es nicht wahrhaben. Alles ist einfach nur dunkel und beängstigend, alles tut weh. Und niemand kommt, der Sie aufweckt aus diesem bösen Traum. 

Sie fühlen sich überwältig, reagieren vielleicht auch körperlich mit Zittern, Schwitzen, Übelkeit, Krämpfen, Unruhe. Sie fragen sich vielleicht warum. Aber auch was ist geschehen, womit haben Sie das verdient und immer wieder: Ist das wirklich real? Am Anfang können Sie nur hier in der Dunkelheit verharren. Erst einmal realisieren, überleben, es irgendwie weiter gehen lassen. Sie fühlen sich gelähmt oder aber Sie versuchen ganz bewusst zu funktieren. Nur wenige Menschen befinden sich in Ihrer Nähe. Ihre Familie, enge Freunde vielleicht. Menschenmassen, Freude, Alltag sind nicht zu ertragen. 

So langsam begreifen Sie, dass Sie aktuell in einem „dunklen Wald“ stehen. Das es wirklich passiert ist, Ihr Kind tot ist. Gefühle brechen auf. Trauer, Angst, Verzweiflung, Schuldgefühle, Einsamkeit, im schlimmsten Fall auch suizidale Gedanken. Sie fühlen sich mitten in einem Sturm, ungeschützt. Ihre Umgebung ist bedrohlich. Auch Wut und Zorn kann eine Rolle spielen. Wut auf sich selbst, auf die Familie, auf Ärzte, auf Gott. Fragen zum Tod beschäftigen Sie immer wieder und Sie begeben sich auf die Suche nach Antworten. Sie wollen vielleicht alles rund um den Tod Ihres Kindes wissen, recherchieren im Internet. Es ist wichtig, diese Gefühle raus zu lassen und zu reden. Das Aussprechen des Todes macht ihn real und was real ist, können Sie irgendwann auch anerkennen. Nach einiger Zeit werden Sie in der Lage sein, bewusst Erinnerungen an Ihr Kind zu suchen und sich an die gemeinsame Zeit erinnern, die so kurz und doch so wertvoll war. Sie schreiben ein Tagebuch, schauen sich Ultraschallbilder an, wollen Ihr Kind so am Leben halten. 

Sie weinen viel, leiden vielleicht auch unter Magen-, Kopf- und Herzschmerz. Sie können den Alltag nur mit Mühe bewältigen, schlafen und essen schlecht und unregelmäßig. Der Drang, den Schmerz zu betäuben ist groß. Sie hätten vorher nicht gedacht, dass Trauer so anstrengend ist. Sie hätten auch nicht gedacht, dass man ein Kind, dass man gar nicht oder nur kurz gekannt hat, so sehr lieben kann. Und die Sehnsucht nach diesem Kind ist riesig. 

Alles was schön ist, alles was Alltag ist, sind aber weiterhin schwer zu ertragen. Gewisse Dingen müssen erledigt werden (wie z.B. Einkaufen), sind aber herausfordernd. Und jedes Kind, das Ihnen begegnet, löst Neid und seelische Schmerzen aus.

Dieses Realisieren und das erste Verarbeiten ist das erste Teilstück auf Ihrem Trauerweg. Er ist dunkel, düster, beängstigend. Die Baumkronen lassen kaum Licht durch. Sie gehen ihn teilweise mit Ihrer Familie und mit Ihrem Partner. Sie gehen aber auch Teilabschnitte allein, auch wenn Ihre Familie vielleicht neben Ihnen steht. Der Weg ist nicht gerade, geht oft steil bergauf, windet sich. Ein Ziel scheint nicht in der Nähe. 

Nach einer gewissen Zeit ändern sich die Fragen, die Sie beschäftigen. Und auch der Weg ändert sich. Sonne scheint manchmal durch die Äste und es gibt wesentlich mehr Kreuzungen. Sie merken, dass es nicht mehr so sein kann wie vor dem Tod Ihres Kindes. Sie wissen, dass Sie selbst sich geändert haben ebenso wie Ihr Partner, Ihre Kinder und Ihr Umfeld. Jede Kreuzung steht in gewissem Sinne auch für Entscheidungen, die sie treffen werden und Fragen, nach deren Antwort Sie suchen. Manche Strecken führen Sie ein Stückchen in die Helligkeit, manche im Kreis oder zurück ins Dunkel. Auch die Glaubensfrage spielt in dieser Zeit eine wesentliche Rolle. Sicher auch der Wunsch nach einem weiteren Kind. 

Unruhe kann Sie befallen, Unzufriedenheit, Verzweiflung und Angst. Aber auch Hoffnung und Sinn prägen diesen Abschnitte. Es dauert, bis Sie Ihre Rolle in der Familie, im Freundeskreis und im beruflichen Umfeld neu gefunden haben. Es erfordert Ausprobieren. Manches in Ihrem Alltag geht wieder leichter, manches macht Ihnen immer noch keine Freude.

Sie merken, dass Sie sich von gewissen Dingen, Personen und Gewohnheiten trennen müssen, um mit sich im Reinen zu sein. Sie merken vielleicht auch, dass Ihr Umfeld von dieser neuen Situation überfordert ist oder nicht wie von Ihnen gewünscht reagiert. 

Auch dieser Weg ist sehr anstrengend und fordernd. Im Nachhinein berichten viele Betroffene aber auch, dass sich in dieser Zeit einige Lebensfragen geklärt haben. Das Aufeinandertreffen mit dem Tod verändert die Prioritäten. Das ist etwas, was Ihr Sternenkind Ihnen auf Ihrem weiterem Weg mitgeben wird.  

Sie haben weiterhin eine enge Bindung zu Ihrem Kind für das und mit dem Sie den Weg zurückgelegt haben. Sie finden langsam wieder in einen neuen Alltag zurück, es gibt neue Routinen. Doch der Trauerprozess hat auch Spuren hinterlassen. Sie haben sich Verletzungen an Ihrer Seele zugezogen. Sie haben aber vielleicht auch Unliebsames aus Ihrer Vergangenheit zurückgelassen.

Negative Gefühle nehmen tendenziell ab und verringern sich. Und doch können Sie immer wieder kommen. Auch körperlich kann es immer wieder zu Reaktionen wie Müdigkeit und höhere Anfälligkeit für Krankheiten kommen. Vieles hat sich geändert, vieles wurde hinterfragt. Die Zukunft erscheint Ihnen je nach Ihrer allgemeinen Sicht auf das Leben wieder positiver. Oder im Gegenteil: Sie haben mehr Angst, sind negativer als vor dem Verlust des Kindes.

Sind Sie am Ziel? Gibt es überhaupt ein Ziel? Der vermeintlich letzte Abschnitt des Trauerweges ist nicht immer eine Zielgerade, aber er ist heller, näher an Ihrem bisherigen Lebensweg. Vielleicht sogar an einigen Punkten heller als zuvor.

Das hilft Ihnen auf Ihrem Trauerweg (für weitere Informationen bitte auf die Sterne klicken)

Professionelle Hilfe ist kein Zeichen von Schwäche – im Gegenteil

Es kann der Zeitpunkt kommen, da geht es nicht mehr weiter. Da hilft kein Gespräch mehr. Alles ist dunkel und trüb. Sie fühlen sich unverstanden, haben Suizid-Gedanken. Handeln Sie jetzt sofort und suchen Sie sich professionelle Hilfe. Es gibt eine Vielzahl von Therapien und Angebote – darunter sicherlich auch eines, das für Ihre Situation passt. Auch wenn es in unserer Gesellschaft immer noch ein Tabuthema ist: Für professionelle Hilfe braucht man sich nicht zu schämen!!!

Es ist allgemein bekannt, das die Wartezeit auf einen Therapieplatz sehr lange ist. Lassen Sie sich nicht zu lange vertrösten, weisen Sie auf die Dringlichkeit hin. Ein Erstgespräch muss Ihnen innerhalb weniger Wochen angeboten werden. Helfen können Ihnen aber auch Seelsorger, Vereine, kirchliche und gemeinnützige Organisationen. Hier können Sie bei Erläuterung Ihrer Situation teilweise kurzfristigere Hilfe erhalten. 

Beratungsstellen im Kirchenkreis finden Sie hier

Es werden einige schwierige Tage kommen

Jahrestage, Geburtstage, Weihnachten, Mutter- und Vatertag, aber auch die Geburt anderer Kinder. All diese Tage werden Ihnen schmerzlich in Erinnerung rufen, das jemand fehlt. Vielleicht erwischt Sie die Trauer am Tag selbst, vielleicht auch kurz davor oder danach. Das erste Jahr ist das Schlimmste, ganz einfach werden diese Tage aber nie. 

Planen Sie an diesen Tagen bewusste Auszeiten ein, tun Sie sich etwas Gutes. Entwicklen Sie Rituale wie den Besuch Ihres Kindes oder das Anzünden einer Kerze. Nehmen Sie sich an diesen Tagen bewusst Zeit für Ihr Kind und Ihre Trauer, um dann wieder gestärkt weiter zu gehen.

Das Bild der trauernden Eltern / Familie

Die Erwartungen Ihres Umfeldes oder auch Ihre Erwartungen an sich selbst können eine große Last werden in Ihrem Trauerprozess. Welches Bild hat man selbst oder auch andere von einer trauernden Familie? Dürfen Sie lachen, dürfen Sie feiern, dürfen Sie schöne Dinge unternehmen? Wie oft besucht man das Grab seines Kindes? Aber auch, wann sollten Sie fertig getrauert haben?

Sie merken an diesen Fragen, dass es einige Vorstellungen in unserer Gesellschaft gibt und auch Sie neigen vielleicht bewusst oder unbewusst dazu, diese Erwartungen erfüllen zu wollen. Auch wenn es schwer ist: Befreien Sie sich hiervon. Sie werden es nicht jedem Recht machen können und nichts wäre schlimmer, als wenn Sie sich in Ihrer Trauer schöne Dinge versagen oder „Pflichten“ aufbürden, hinter denen Sie selbst nicht stehen.