Kinder trauern anders

Kinder trauern anders

Die Trauer von Geschwisterkindern

Der frühe Tod eines Geschwisterkindes ist für das Kind ein sehr prägendes Erlebnis. Zum einen erlebt es die Trauer und Gefühle der Erwachsenen, zum anderen muss das Kind seine eigene neue Rolle in der Familie finden und seine Gefühle äußern dürfen. Sicherlich haben Sie das große Geschwisterkind aktiv in die Schwangerschaft mit einbezogen, ihm Ultraschallbilder gezeigt, es die Kindsbewegungen spüren lassen und sich mit ihm gemeinsam auf das neue Familienmitglied gefreut. Umso abstrakter ist die Vorstellung, warum die Eltern ohne das Baby – ohne das Geschwisterchen nach Hause kommen.

Vielleicht erlebte Ihr Kind aber auch schon während der Schwangerschaft Ihren Umgang mit Sorgen und Angst, weil die Prognosen für Ihr Baby kritisch waren und zum Thema in der Familie wurden. Aber vielleicht war da auch der letzte Funke Hoffnung, dass alles gut ausgehen wird und Sie haben versucht Ihr Kind vor diesen Ängsten zu schützen.

Ihr Kind hat die ihre Schwangerschaft miterlebt und sich neun Monate auf die neue Geschwisterrolle gefreut. Zu begreifen, dass das Geschwisterchen verstorben ist, ist für die Kinder eine schwierige Aufgabe, bei der Sie ihnen zur Seite stehen müssen.

Als Familie stehen Sie vor einer großen Herausforderung.  Sie müssen einen eigenen Umgang mit Ihrer Trauer finden, Sie möchten Ihrem verlorenen Kind einen guten Platz in ihrem Leben zu geben und Sie dürfen dabei die Familie und die Gewschwisterkinder nicht aus dem Blick zu verlieren.

Wie gehen Kinder mit Trauer um?

Welche Vorstellungen haben Sie vom Tod und wie können Sie Ihnen in dieser schweren Zeit eine Stütze sein? Die nachfolgenden Punkte geben Einblick in die Ressourcen, die Kinder und Jugendliche in Ihrer Trauerbewältigung altersabhängig zur Verfügung stehen. Sie sollen Ihnen helfen, Ihr Kind zu verstehen und einen Zugang zu ihm und seinen Gefühlen zu finden. Trauer ist ein individueller Prozess, so dass die aufgeführten Punkte nur eine kleine Auswahl der Möglichkeiten im Umgang mit der Trauer und Trauerbewältigung darstellen können.

Abschiedsverständnis von Kindern bis zum vierten Lebensjahr

Für fast alle Kinder unter vier Jahren ist der Tod bedeutungslos und nicht greifbar, jedoch können die Kinder die Gefühle innerhalb der Familie spüren und erfassen. Sie versuchen sich ihre Unklarheiten durch Fragen wie z. B.: “ Wo wohnt das Baby jetzt?, Wann kommt das Baby zu uns?“ zu erschließen. Sie haben im Alltag gelernt, dass es manchmal Zeit braucht, bis alles wieder „an seinem Platz“ und richtig ist. Kinder in diesem Alter können den Tod und eine vorrübergehende Trennung noch nicht unterscheiden. Umso abstrakter ist die Vorstellung, einen Menschen zu vermissen, den sie noch gar nicht kennengelernt haben.

Sie können Ihrem kleinen Kind Sicherheit geben in dem Sie:
  • Eine feste Bezugsperson für Ihr Kind sind.
  • Feste Rituale (geregelter Tagesablauf, eine Gutenachtgeschichte, etc.) einhalten.
  • Emotionale Zuwendung geben und seine Gefühle wahrnehmen.
  • Ihm eine liebevolle Begleitung sind an der Ihr Kind lernen kann, dass Verlusterfahrungen schmerzhaft und traurig sind aber auch wieder vorrübergehen können.

Trauerverständnis der fünf- bis siebenjährigen Kinder

Kinder in dieser Altersgruppe leben in der Gegenwart, sie sind neugierig und stellen viele Fragen. Themen wie Geburt und Tod sind nach wie vor noch kein Thema für Sie. Etwa ab dem sechsten Lebensjahr fangen Kinder an, über den Tod und seine Auswirkungen nachzudenken udn begreifen, dass dies etwas sehr schlimmes sein muss. Kinder haben viele Fragen und möchten genau wissen, was durch den Tod geschieht und wie die Dinge ablaufen. Mit ihren Möglichkeiten versuchen sie sich zu informieren und sind auf unsere ehrlichen Antworten angewiesen. Dabei lernen sie auch, wie wir mit unseren Emotionen umgehen und diese leben. Die Erfahrung von Tod im Familienkreis kann kindliche Trennungsängeste auslösen. Geben Sie ihm daher Sicherheit durch Verlässlichkeit.

 

Helfen Sie Ihrem Kind in dem Sie:
  • Dinge ehrlich beim Namen nennen und Ihrem Kind z. B. erklären, was mit dem Körper passiert wenn ein Mensch stirbt.
  • Immer ein Ohr für seine kindlichen Fragen offen haben.
  • Es ermutigen, Fragen zu stellen und sich an Gesprächen in der Familie oder Gruppe zu beteiligen.
  • Sie ihm sachliche Fragen auch sachlich beantworten und kein „Geheimnis“ entstehen lassen, über das vor den Kindern nicht gesprochen werden soll.
  • Ihre Gefühle mit Ihren Kindern teilen. Sprechen Sie über Ihre Gefühle und verstecken Sie diese nicht. Kinder müssen erfahren, dass Lachen und glückliche Gefühle genauso erlaubt sind wie Wut, Traurigkeit und Enttäuschung.
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Trauerverständnis der acht- bis zwölfjährigen Kinder

Kinder im Grundschulalter haben eine erste konkrete Vorstellung vom Tod. Sie haben bereits Erfahrungen mit dem Tod gemacht z.B. durch den Verlust eines Haustieres, eines engen Verwandten oder aus dem Bekanntenkreis. Dabei sind sie nicht wie jüngere Kinder nur traurig, sondern können die Schwere des Verlustes abwägen. Sie sind auch in der Lage, in dieser schwierigen Situation Vor- und Nachteile zu erkennen und diese zu benennen.  Ihre Reife führt aber auch dazu, dass sie die Trauer und den Verlust deutlich spüren und begreifen möchten. Die Traurigkeit kann sich auf Schlaf- und Alltagsgewohnheiten, auf die Schule und den Freundeskreis auswirken. Kinder, die Verlässlichkeit und Zuwendung im Familiensystem erfahren fällt es leichter, Ihre Selbstheilungskräfte zu aktivieren und mit Verlusten umzugehen als Kinder, die wenig Vertrauen und Zuwendung erfahren konnten. 

 

Helfen Sie Ihrem Kind in dem Sie:
  • sich Zeit für Ihr Kind nehmen, ihm kuscheln und ihm Zeit und Zuwendung schenken.
  • ihm als Freund und Partner zur Seite stehen, aber auch erkennen, wann Ihr Kind Freiräume und Zeit zum Nachdenken benötigt. Auch Kinder müssen Ihre eigene Strategie im Umgang mit der Trauer entdecken können.
  • ihm als Gesprächspartner zur Seite stehen und offen mit Ihm über das Erlebte und die Gefühle sprechen. Kinder spüren, wenn Dinge vor Ihnen verheimlicht werden. Daraus können sich Schuldgefühle und Ängste entwickeln.
  • es in die Vorbereitungen der Trauerfeier und Beerdigung mit einbeziehen. Geben Sie ihnen kleine Aufgaben und zeigen Sie Wertschätzung.
  • die Schule, Sportverein, Freundeskreis über den Tod des Geschwisterkindes informieren.
  • mit ihren Kindern überlegen, wie sie der Trauer Ausdruck geben können. Das kann z.B. reden, malen, das Führen eines Tagebuchs oder z.B. auch Sport sein.
  • Geduld für es aufbringen und neben Trauerzeiten auch trauerfreie Räume für Ihr Kind schaffen.

Trauerverständnis von Jugendlichen

Wie Jugendliche ihrer Trauer reagieren, ist abhängig von der Persönlichkeit und dem eigenen Temperament, vom Ereignis, das den Tod verursacht hat, und den Bezug, den der Jugendliche zum Verstorbenen hatte. Jugendliche versuchen sich an den Umgangsformen und Ritualen in Krisenzeiten in der Familie zu orientieren. Ihre Reaktionen sind für sie selbst oft schwer vorhersehbar, das sich sich in ihrer eigenen Gefühlswelt nicht sicher sind. Trauernde Jugendliche brauchen verlässliche, geduldige Mitmenschen an Ihrer Seite die ihnen immer wieder Gespräche und Unterstützung anbieten.

Helfen Sie Ihrem Kind in dem Sie:
  • ihm ehrliche Informationen über die Ursachen, den Tod und die begleitenden Umstände geben
  • die eigenen Ausdrucksweisen ihres Kindes respektieren. Das kann auch ein neuer Kleidungsstil, Rückzug, Schweigsamkeit oder laute Musik sein. Nur wenn Äußerungen und Reaktionen verletztend oder selbstverletztend sind sollten Sie eingreifen und unter Umständen auch professionelle Hilfe in Anspruch nehmen.
  • die Schule oder den Praktikums-/Ausbildungsbetrieb, Sportverein, Eltern im Freundeskreis informieren.
  • Gesprächsbereitschaft und Interesse signalisieren
  • akzeptieren, dass die Noten in der Schule für eine gewisse Zeit schlechter werden können. Trauer lähmt und lässt die Konzentration und Motivation sinken.
  • männlichen Jugendlichen auch einen Mann zur Seite stellen, der deutlich machen kann, wie er mit seiner Trauer umgeht. Trauerausdruck braucht Vorbilder und muss erlernt werden.

Für die inhaltliche Gestaltung dieser Seite wurde in Auszügen auf die Inhalte des Buches „Für immer anders | Das Hausbuch für Familien in Zeiten der Trauer und des Abschieds“ (Mechthild Schroeter-Rupieper | Patmos-Verlag) zurückgegriffen.